#White Saviorism
White Saviorism (dt. „weißes Retter*innentum“) beschreibt ein Phänomen bei dem sich weiße Menschen aus dem Globalen Norden dazu berufen fühlen, Menschen aus Ländern des Globalen Südens durch die Mitarbeit an Entwicklungs- und Aufklärungsprojekten Hilfestellung zu leisten.
2012 prägte der nigerianisch-amerikanische Schriftsteller Teju Cole den Begriff „White Savior Complex“. In einer Reihe von Tweets äußerte er Kritik über den Dokumentarfilm Kony 2012 und verwendete den Begriff erstmalig. Coles Äußerungen wurden in den sozialen Medien vielfach geteilt, was dazu führte, dass US-amerikanische sowie europäische Nachrichtenseiten auf das Phänomen aufmerksam wurden und darüber berichteten.
Der*die White Savior
In der Regel verfolgen weiße Retter*innen mit ihrem Engagement in Ländern des Globalen Südens das Ziel, „etwas zurückzugeben“ oder „etwas Gutes zu tun“. Im ersten Moment scheinen gute Absichten hinter diesem Einsatz zu stehen. Allerdings verstecken sich dahinter oftmals die bewusste und unbewusste Annahme, dass die Herkunft der weißen Retter*innen diese dazu berechtigten, andere Menschen „aufzuklären“ und vor vermeintlicher Armut zu „retten“. Dieser Glaube beruht auf der (impliziten) Vorstellung einer weißen Überlegenheit und der damit einhergehenden Sichtweise, dass Länder des Globalen Nordens „weiterentwickelt“ und „fortschrittlich“ seien und es demnach in ihrer Verantwortung liege, Menschen im Globalen Süden fortschrittliche Denk- und Lebensstrategien beizubringen. Innerhalb solcher Prozesse nimmt der*die White Savior eine bevormundende Machtposition ein. Dadurch wird Schwarzen Menschen und People of Color die eigene Handlungsfähigkeit und die Expertise über die eigene Lebenssituation abgesprochen.
Beispiel: Voluntourismus
Der Begriff Voluntourismus ist eine Zusammensetzung aus den Wörtern „Volunteering“ (dt. „Freiwilligenarbeit“) und Tourismus. Diese Form der internationalen Freiwilligenarbeit beschreibt die Kombination aus Mitarbeit an örtlichen Hilfsprojekten und das Bereisen des Ziellandes in der Freizeit.
Besonders junge Menschen nutzen Voluntourismus, um nach dem Abitur neue Erfahrungen zu sammeln und gleichzeitig Menschen „zu helfen“. Dabei bringen sie keine fachlichen Qualifikationen, Sprachkenntnisse oder Wissen über die lokale Kultur mit. Dennoch werden ihnen z. T. Rollen und Aufgaben zugewiesen, bei denen sie die Projekte maßgeblich mitgestalten können. Das spiegelt die Überlegenheit weißer Freiwilliger gegenüber lokalen Mitarbeitenden und Projektpartner*innen wider. Zudem zahlen die Helfer*innen hohe Summen an Agenturen, um an den Hilfsprojekten teilzunehmen. Doch nur ein Bruchteil des Betrags geht an die örtliche Partner*innenorganisation und fließt in die Projekte, obwohl diese die meisten Kosten tragen. Für lokale Organisationen ist es schwierig, Kritik an den Umständen zu äußern, da sie finanziell von den Verträgen mit den Entsendeagenturen abhängig sind.
Internationale Freiwilligenarbeit genießt in westlichen Gesellschaften ein hohes Ansehen. Das hängt mit der verbreiteten Wahrnehmung von gesamten Bevölkerungsgruppen als Opfer ihrer Rückständigkeit und Bedürftigkeit zusammen. Es wird viel Geld in Programme und die Akquise von Freiwilligen investiert.
Die Problematik
In den sogenannten „Industriestaaten“ besteht nach wie vor ein verzerrtes Bild des globalen Südens, geprägt von Armut, hungernden Kindern, Terrorismus, korrupten Politiker*innen und Krieg. Verbreitet werden diese Bilder z. B. durch einseitige Berichterstattungen, politische Kampagnen, Spendenaufrufe, popkulturelle Medien (in Filmen wie „The Help“ oder „Django Unchained“) und Schulbücher.
Das westliche Weltbild der passiven und hilfsbedürftigen „Anderen“ verdrängt die Tatsache, dass bestehende soziopolitische Probleme in Ländern des Globalen Südens eine direkte Folge von Kolonialismus, Versklavung, kapitalistischer und kultureller Ausbeutung durch den Globalen Norden sind. Das hat zur Folge, dass bestehende Kolonial-, Macht- und Abhängigkeitsstrukturen durch internationale Freiwilligenarbeit aufrechterhalten und in der Form des White Saviors verstärkt werden. Vielen White Saviors ist die historisch verankerte Problematik ihres Handelns nicht bewusst und sie reproduzieren unwissentlich diese Machtverhältnisse.
In einem seiner Tweets, schrieb Teju Cole: „Der*die weiße Retter*in unterstützt morgens brutale Politiken, gründet nachtmittags Wohltätigkeitsorganisationen und erhält abends dafür Auszeichnungen.“
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Weiterlernen:
Feuer & Brot Podcast, #45 White Saviorism – Warum gut gemeint oft nicht hilfreich ist
Zum Thema Freiwilligenarbeit in Waisenhäusern (auf Englisch)
Zum Thema Adoption und White Saviorism (auf Englisch)
Zum Thema White Saviorism in Filmen
Instagram Account: @nowhitesaviors
White Saviorism (dt. „weißes Retter*innentum“) beschreibt ein Phänomen, bei dem sich weiße Menschen aus dem Globalen Norden dazu berufen fühlen, Menschen aus Ländern des Globalen Südens durch die Mitarbeit an Entwicklungs- und Aufklärungsprojekten Hilfestellung zu leisten. In der Regel verfolgen weiße Retter*innen mit ihrem Engagement das Ziel, „etwas zurückzugeben“ oder „etwas Gutes zu tun“. Im ersten Moment scheinen gute Absichten hinter diesem Einsatz zu stehen. Allerdings verstecken sich dahinter oftmals die bewusste und unbewusste Annahme, dass die Herkunft eines White Saviors ihn*sie dazu berechtigt, andere Menschen „aufzuklären“ und vor vermeintlicher Armut zu „retten“. Dieser Glaube beruht auf der Vorstellung einer weißen Überlegenheit und der damit einhergehenden Sichtweise, dass Länder des Globalen Nordens „weiterentwickelt“ und „fortschrittlich“ seien und es demnach in ihrer Verantwortung liege, Menschen des Globalen Südens fortschrittliche Denk- und Lebensstrategien beizubringen. Innerhalb solcher Prozesse nimmt der*die White Savior eine bevormundende Machtposition ein. Dadurch wird Schwarzen Menschen und People of Color die eigene Handlungsfähigkeit und die Expertise über die eigene Lebenssituation abgesprochen. Die grundlegende Problematik von White Saviorism besteht in einem alten, von Rassismus und Kolonialismus geprägten Weltbild, das bis heute die Vorstellung einer weißen Vormachtstellung in unserer sozialen und politischen Weltordnung einnimmt.