#MeTwo
#MeTwo ist eine 2018 entstandene Online-Kampagne gegen Rassismus im Alltag. Initiiert wurde sie von dem Sozialaktivisten Ali Can, der in der Türkei geboren ist und dessen Familie nach Deutschland zog, als er zwei Jahre alt war.
Von einer Verwechslung mit einer Putzkraft bis zu rassistisch begründete Kontrollen der Polizei: Das Feedback der tausenden Twitter-Nutzer zeichnet ein überwältigendes Bild des Alltagsrassismus, dem Menschen mit einem Migrationshintergrund in Deutschland tagtäglich ausgesetzt sind.
Die Aufregung um Özil
Als 2018 der damalige Nationalspieler Mesut Özil ein Bild mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan veröffentlichte entfachte dies eine das ganze Land betreffende Diskussion darüber, was Deutsch sein ausmache. Özil, der im selben Jahr aus der Nationalmannschaft austrat, sagte dazu unter anderem „Wenn man erfolgreich ist, ist man ein guter Deutscher, wenn nicht, dann ein Migrant.“ Ali Can nahm das zum Anlass den Hashtag #MeTwo ins Leben zu rufen. Die Zwei stehe in diesem Fall für die zwei Identitäten, die viele Menschen mit Migrationshintergrund auszeichne. „Man kann Deutsch sein und sich trotzdem zu einem anderen Land verbunden fühlen – weil man dort geboren wurde, weil man die Sprache spricht, weil die Eltern daher kommen“, erklärt Can. Seiner Aussage nach, schließe sich das eine nicht durch das andere aus.
Der Hashtag erlebte in kürzester Zeit eine enorme Aufmerksamkeit und sorgte dafür, dass die Themen Alltagsrassismus, Diskriminierung und Ausgrenzung von Minderheiten breit diskutiert wurden. Angelehnt ist die Kampagne an die #metoo-Debatte, die im Jahr zuvor begann und ausgehend von Erfahrungen in Hollywood den verbreiteten Alltagsexismus öffentlich machte und anprangerte. Beide Kampagnen zogen weite Kreise und brachten neben den abertausenden gesammelten Erfahrungen in den Sozialen Medien auch zahlreiche Reaktionen aus der Politik hervor.
Erfahrungen Tausender Menschen
Die vor allem über Twitter gesammelten Erfahrungen spiegeln eine ganze Bandbreite an rassistischen Vorfällen in verschiedensten alltäglichen Situationen.
Wenn du über Immoscout freie Wohnungen kontaktierst & einfach keine Antwort bekommst, aber die deutsche Freundin bei gleichen Angeboten sofort Antworten erhält. Nach Ehe & Namensänderung hat sie auch keine Antwort mehr bekommen. Wohnung nur dank gezahlter Maklerprovision. #metwo
— Oguz Yilmaz (@oguz) 26. Juli 2018
Woher kommst du?
Aus Deutschland
Ja aber woher kommst du wirklich? China, Japan?
Aus Franken
Ja aber ursprünglich?
Laufer Krankenhaus
Aber deine Eltern!!!! #metwo
— An (@missanphan) 26. Juli 2018
Wenn ich im übervollen Zug der einzige Nichtweiße bin, Polizei steigt ein, und der einzige, der seinen Ausweis zeigen muss, bin ich. #MeTwo
— Hasnain Kazim (@HasnainKazim) 26. Juli 2018
Ich: In den Medien gibt’s nur Deutsche, deutscher Herkunft. Woran liegt‘s?
Er: Ja, hast Recht. Wir sind alles Weißbrote hier. Vllt sollten wir die Standards senken, dass es mehr Leute wie du auch hier reinschaffen…
Ich: 2 Uni-Abschlüsse, Mio. Praktika, 6 Sprachen… #MeTwo pic.twitter.com/cURZ9SdyUI
— Malcolm Ohanwe (@MalcolmMusic) 26. Juli 2018
Zu #meTwo gehört, dass du oft auch Rassismuserfahrungen runterspielst oder bei Witzen gequält mitlachst, denn du willst nicht als überempfindlich oder sensibel angesehen werden und dann für die schlechte Stimmung verantwortlich gemacht werden.
— An (@missanphan) 26. Juli 2018
Und all die Tweets zu #metwo erinnern mich an einen schwarzen Klassenkameraden, der damals im Sportunterricht immer eine Note Abzug bekam, weil er ja „einen unfairen Vorteil hätte“.
Warum werden manche Menschen Lehrer?
Warum?!— Queerdose (@Pfanddose) 26. Juli 2018
Meine Mutter, die während einer Geschäftsreise in einem Hotel auf dem Flur steht und die Frau, die zu ihr kommt und sagt „sie können mein Zimmer jetzt gerne machen“ #MeTwo
— Dr. Mahret Ifeoma Kupka (@modekoerper) 26. Juli 2018
Was ist Alltagsrassismus?
Nicht nur negative Abwertungen, auch der Bezug auf vermeintlich positive Eigenschaften oder Verhaltensweisen einer Person, immer relativ zu ihrem Status als (vermeintliche) Migrant_In, zählen dazu. So kann ein Lob für den so sicher Deutsch sprechenden Arbeitskollegen genauso unter Alltagsrassismus fallen wie bohrende Fragen danach, woher die Freundin eines Familienangehörigen denn nun „wirklich“ komme. Auch Witze und flapsige Bemerkungen fallen in diese Kategorie, was diese Thematik so schwer zu greifen macht. Viele Menschen denken bei dem Thema „Rassismus“ an unmissverständliche Anfeindungen und Ausgrenzung. Darunter können beispielsweise rassistische Rufe im Fußballstadion fallen oder auch direkte Beleidigungen. Der Begriff „Alltagsrassismus“ setzt allerdings genau dort an und trägt dem Umstand Rechnung, dass sich viele Bemerkungen dieser Art durch ihren subtilen und versteckten Charakter auszeichnen und somit oft auf den ersten Blick nicht als solche erkannt werden. Allerdings schützt hier Unwissenheit und fehlende Absicht nicht davor, sich rassistisch zu verhalten.
Alles, was eine Person auf ihren politischen oder kulturellen Hintergrund reduziert, unterstellt ihr_ihm eine fehlende Zugehörigkeit und damit indirekt eine fehlende Legitimation ihrer_seiner Anwesenheit in diesem Land. Die Folge ist immer ein „Wir“ gegen ein „Ihr“, wobei die jeweilige Fremdgruppe negativ abgewertet wird. Entscheidend ist hier, wer für sich die Macht beansprucht, zu definieren, was als „normal“ gilt und was demzufolge zu Deutschland passt oder eben auch nicht.
Die Arbeit ist nicht getan
Der Hashtag führte dazu, dass sich viele Menschen damit auseinandersetzten, wo bestimmte Grenzen beginnen und was die Lebenswirklichkeit von Menschen mit Migrationshintergrund tagtäglich beeinflusst. Der Wunsch von Ali Can, dass sich dadurch eine konstruktive Wertedebatte entwickelt, dürfte sich damit erfüllt haben. Nichtsdestotrotz liegt es weiterhin in der Verantwortung von jedem von uns das tägliche Verhalten und eigene Äußerungen kritisch zu hinterfragen und bereit zu sein, die Strukturen, in denen wir uns alle befinden, anzuerkennen und Stück für Stück zu verändern.